Wie
die renommierten US-Fachzeitschriften "Physical Review Letters" und
"Science" (Online-Ausgabe vom 23. Mai 2008) berichten, gelang es
Forschern der Universität Hamburg, mit Hilfe von zeitauflösender
Röntgen-Mikroskopie, die Dynamik der Magnetisierung von kleinen
ferromagnetischen Elementen, die durch Spinströme zum Schwingen
angeregt wurden, zu beobachten. Diese Forschungsergebnisse erweitern
das benötigte grundlegende Verständnis für den Einsatz in neuartigen
magnetischen Speichermedien.
Magnetische
Festplattenspeicher sind heutzutage in fast jedem Haushalt vorhanden
und finden sogar in Videokameras, Harddisk-Video-Rekordern und
Set-Top-Boxen Gebrauch. Das jahrzehntelange Wachstum der Speicherdichte
auf heute über eine Milliarde Bits pro Quadratmillimeter droht in den
nächsten Jahren an das Limit zu stoßen; die kleinsten magnetischen Bits
sind nämlich bei Raumtemperaturen nicht mehr stabil, sondern verlieren
ihr "Gedächtnis". Aus diesem Grund machen sich bereits jetzt Forscher
in aller Welt Gedanken über mögliche Nachfolger zu herkömmlichen
Datenspeichermethoden. Als erfolgversprechende Alternative sind
Konzepte im Gespräch, in denen Festkörperspeicher mit Hilfe von
Spinströmen ausgelesen oder geschrieben werden. Spinströme nutzen eine
weitere, bisher weitgehend unbeachtete Größe von Elektronen: Ihr
Eigendrehmoment oder Spin. Mithilfe von Spinströmen lässt sich die
Magnetisierung sehr kleiner Strukturen punktgenau auslesen und auch
verändern, indem die Elektronen ihre Spinausrichtung auf die
Magnetisierung übertragen. Dieser Prozess wird "Spin-Transfer" genannt.
Für die Entdeckung eines verwandten Mechanismus, den sogenannten
Riesenmagnetowiderstand, erhielten Peter Grünberg und Albert Fert
letztes Jahr den Physiknobelpreis. Durch das punktgenaue Lesen und
Schreiben mit dem Spin-Transfer-Effekt lassen sich in Zukunft eventuell
noch kleinere magnetische Bits schalten als bisher. Den Einfluss von
Spinströmen auf die Magnetisierung haben Dr. Markus Bolte und
Mitarbeiter des Instituts für Angewandte Physik der Universität Hamburg
nun in Zusammenarbeit mit dem I. Institut für Theoretische Physik der
Universität Hamburg, dem Max-Planck-Institut für Metallforschung in
Stuttgart, der Universität Ghent in Belgien und der Lawrence Berkeley
Laboratories in Berkeley, Kalifornien untersucht. Zum ersten Mal
konnten sie mit einer zeitlichen Auflösung von weniger als einer
Milliardstel Sekunde die Wechselwirkung zwischen Spinströmen und
Magnetisierung verfolgen.
Abb. 1: Von Spinströmen angeregte Magnetisierung in einem ferromagnetischen Quadrat.
Als
ultraschnelle "Kamera" wurde dabei das Röntgen-Licht eines
Elektronensynchrotrons verwendet. In einem solchen Synchrotron entsteht
das Röntgen-Licht, indem Elektronenpakete, die mit Lichtgeschwindigkeit
um den Ring fliegen, abgelenkt werden. Das Licht wird dann durch
spezielle Linsen auf die magnetischen Strukturen geschickt. Eine
besonders schnelle lichtempfindliche Diode misst jedes einzelne
Röntgen-Lichtquant und wandelt es in elektrische Signale um. In den
untersuchten magnetischen Quadraten (siehe Abb. 1) bildet sich
natürlicherweise eine magnetische Singularität, ein sogenannter Vortex
aus, bei dem die Magnetisierung aus der Ebene zeigt (siehe Abb. 2). Da
der Vortex nur eine von zwei Richtungen annehmen kann, werden Vortizes
als mögliche nichtflüchtige Speichermedien gehandelt. Die Vortizes
können durch hochfrequente Wechselströme zum Schwingen und zum
Umklappen gebracht werden.
Abb. 2: Die Magnetisierung eines Quadrates mit dem Vortex in der Mitte.
Original-Veröffentlichung:
M. Bolte, G. Meier, A.
Drews, R. Eiselt, L. Bocklage, B. Krüger, S. Bohlens, T. Tyliszczak, A.
Vansteenkiste, B. Van Waeyenberge, K. W. Chou, A. Puzic, and H. Stoll Time-Resolved X-ray Microscopy of Spin-Torque-Induced Magnetic Vortex Gyration Physical Review Letters 100, 176601 (2008) doi:10.1103/PhysRevLett.100.176601