Majorana-Teilchen, die gleichzeitig ihre eigenen Anti-Teilchen darstellen, wurden vor über 80 Jah- ren von dem theoretischen Physiker Ettore Majorana vorhergesagt. Während die Suche nach sol- chen Objekten in der Teilchenphysik auf der Basis großer und aufwändiger Teilchenbeschleuniger und –detektoren weiterhin anhält, wurden in den vergangenen Jahren von mehreren Forschungs- gruppen die Signaturen von Majorana-Zuständen in festkörperartigen Systemen bei Laborexperi- menten mit Halbleiter-Supraleiter- bzw. Magnet-Supraleiter-Hybridstrukturen gefunden. Dies hat für großes Aufsehen weltweit gesorgt, da diese Majorana-Zustände nach Vorhersagen der Theorie einen besonderen, sogenannten topologischen Schutz besitzen, welcher diese Zustände robust gegenüber äußeren Einflüssen macht. Majorana-Zustände eignen sich daher als quantenmechani- sche Daten-Bits, sogenannte Qubits, in zukünftigen Quantencomputern. Die bisherigen Experi- mente an hybriden Nanostrukturen litten jedoch unter nicht kontrollierbaren Effekten verursacht durch atomare Verunreinigungen und Unordnung, was die Interpretation der experimentellen Resultate und den Vergleich mit den theoretischen Vorhersagen erschwerte. In seiner Ausgabe vom 11. Mai berichtet nun das Fachjournal "Science Advances" von der an der Universität Hamburg erstmalig gelungenen, atomar präzisen Fertigung von Hybridstrukturen bestehend aus magnetischen Atomketten unterschiedlicher Länge auf einer atomar sauberen supraleitenden Oberfläche. Die Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Roland Wiesendanger setzte dabei mit einem Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskop die magnetischen Eisen-Ketten Atom-für-Atom zusammen und nutze das gleiche Gerät für die anschließende detaillierte Untersuchung der atomaren strukturellen, elektronischen und magnetischen Eigenschaften dieser Ketten auf einem supraleitenden Rhenium-Kristall. Dabei konnten die Hamburger Forscher das Entstehen ausgeprägter elektronischer Zustände am Ende der atomaren magnetischen Ketten in Abhängigkeit der Kettenlänge beobachten, welche in ihrer Signatur den theoretisch vorhergesagten Majorana- Zuständen entsprechen. Diese Interpretation konnte eindrücklich durch eine vergleichende theoretische Studie zu exakt dem gleichen experimentell realisierten Modellsystem in Kooperation von Forschern aus Hamburg und Budapest unterstützt werden. Original Veröffentlichung:H. Kim, A. Palacio-Morales, T. Posske, L. Rózsa, K. Palotás, L. Szunyogh, M. Thorwart, |
Illustration der atomar präzisen Fertigung von linearen Ketten magnetischer Eisenatome (gelbe Kugeln) auf einem supraleitenden Rhenium-Kristall (graue Unterlage) mit Hilfe einer Rastertunnelmikroskop-Spitze (blau). Die roten Pfeile oberhalb der atomaren Eisenkette (Bild oben rechts) deuten die magnetische Struktur an, welche mittels spinauflö- sender Rastertunnelmikroskopie bestimmt wurde. Die gemessene Struktur der atomaren Eisenkette (Bild unten rechts) ist überlagert vom simultan gemessenen Leitfähigkeitsbild bei verschwindender angelegter Spannung zwischen Spitze und Probe und zeigt deutlich eine erhöhte Intensität des elektronischen Signals am Ende der Kette, wie es für einen Majorana-Zustand theoretisch vorhergesagt wurde. Während Signaturen von Majorana-Zuständen bereits früher auf der Basis verschiedener Arten von Hybridstrukturen gesehen wurden, bietet der neue experimentelle Ansatz einer atomar präzi- sen Fertigung von Magnet-Supraleiter-Hybridsystemen der Hamburger Forscher viele Vorteile: Zum einen ist die Position und die chemische Art jedes einzelnen Atoms in der Hybridstruktur wohl definiert, so dass erstmals fundierte Vergleiche mit der Theorie und eine gesicherte Grundlage für die Interpretation der experimentellen Daten möglich werden. Für die zukünftige Entwicklung von Quantencomputern ist andererseits die Tatsache von entscheidender Bedeutung, dass die von den Hamburger Forschern demonstrierte Methode der atomar präzisen Fertigung nicht nur für die Herstellung von magnetischen Atomketten auf Supraleitern, sondern auch für die Konstruktion sehr viel komplexerer Strukturen, wie etwa atomarer magnetischer Netzwerkstrukturen auf Supraleitern, eingesetzt werden kann, welche zum Nachweis der Manipulierbarkeit von Majorana-Zuständen erforderlich sind. Die Demonstration grundlegender Rechenoperationen basierend auf Majorana-Zuständen ist nun das nächste große Ziel der Hamburger Forscher auf dem Weg zu zukünftigen Quantencomputern. |
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Prof. Dr. Prof. h.c. Dr. h.c. Roland Wiesendanger
Department of Physics
University of Hamburg
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